Mit Einfallsreichtum und Zusammenhalt trotzt der Regensburger Kammerchor den Herausforderungen der Pandemie

von Christoph Ströbl

Totale Stille. Was das für einen Chor bedeutet, ahnten die wenigsten Mitglieder des Regensburger Kammerchores.

Jeden Dienstag musizierten die 40 SängerInnen in der Kapelle des Alumneums. Bewegende Melodien und ergreifende Gesänge erklangen über den Dächern der Altstadt.

Nun herrscht dort Ruhe, die Dienstage ziehen monoton ins Land. Anstelle von mitreißenden Rhythmen scheint einsam der Corona-Blues vor sich hin zu dudeln…

Doch hinter den Kulissen erklingen freudigere Töne.

„Die Stimmung ist großartig“, erzählt Magdalena Treutwein (27). Sie ist der 1. Vorstand des Chors und singt im Sopran. „Als der Lockdown im Frühjahr 2020 losging, war die Gefahr groß, dass wir uns aus den Augen verlieren. Die sonst so gewohnten Dienstage fielen auf einmal weg. Deshalb haben wir uns Wege überlegt, den Kontakt zu halten. Unsere Chorleiterin hat jeden Tag ein anderes Mitglied dazu ermutigt, per Mail zu erzählen, wie es zum Kammerchor gekommen ist. Dabei kamen die buntesten Geschichten heraus.“ Auf diese Weise stand der Chor nicht nur zusammen: „Wir haben uns dabei nochmal neu kennengelernt.“

Teil dieser Idee war es auch, die Lieblingslieder der SängerInnen zu erfragen. Aus 33 Jahren Chorgeschichte sollten die SängerInnen das Stück auswählen, das es ihnen am meisten angetan hatte. Das blieb keine reine Lockdown-Bewältigung: „Im späten Frühjahr zeichnete sich eine Lockerung der Kulturbetriebe für den Sommer ab“, sagt Angelika Achter (56), die den Kammerchor seit 27 Jahren dirigiert. „Etwa zur selben Zeit entstand die Idee, aus den Lieblingsliedern der SängerInnen ein Konzert zu machen.“ Das Programm – „Da capo ­– Favoriten aus 33 Jahren Regensburger Kammerchor“ war geboren.

„Bald darauf hielten wir die ersten Proben digital über Zoom ab“, sagt Achter. Zoom ist ein Chat-Programm, bei dem es möglich ist, über Bild- und Tonübertragung zu kommunizieren.

Das fiel nicht immer einfach, wie sich Christian Kreikle (51) aus dem Bariton erinnert: „Die Proben gestalteten sich aufgrund der Ton-Verzögerung schwierig. Es war von einer realen Probe weit entfernt.“ Dennoch wurde die „Zoom-Probe“ schnell zum Choralltag. „Und nach der Probe darf natürlich auch die Kneipe nicht fehlen“, sagt Kreikle und lächelt. Vor Corona war man nach der Probe gemeinsam auf eine Halbe Bier gegangen.  Diese „Chorkneipe“ wurde jetzt online abgehalten – mit echtem Bier versteht sich. Für die Chorleiterin gab es – aus stimmlichen Gründen – eine Tasse Tee.

Im Juni waren Live Proben wieder erlaubt. „Dafür haben wir extra ein Hygienekonzept ausgearbeitet und im Freien mit kleinen Gruppen geprobt“, erzählt Angelika Achter.

Schließlich lohnte sich der ganze Aufwand: Gleich zweimal hintereinander füllte der Chor am Abend des 20. Juli den Innenhof des Thon-Dittmer-Palais. Die Zuhörer durften sich an den Hits aus 33 Jahren Chorgeschichte erfreuen. Für Isabella Büchner (31) aus dem Alt ein besonderer Moment: „Normalerweise wählt der Dirigent das Programm aus. Aber dieses Mal haben wir alle Stücke selbst ausgewählt. Jedes einzelne Chormitglied. Da macht das Singen natürlich doppelt Spaß.“ Spaß hatte auch das Publikum. Von den romantischen Gesängen Mendelssohns bis hin zum „Adiloj“, einem wilden Volkslied aus Georgien – der Geschmack der SängerInnen enttäuschte nicht. Mendelssohn mit Mindestabstand. In Zeiten geschlossener Konzerthäuser ein Segen.

Nicht unwichtig für das Ensemble war dabei auch die Unterstützung des Kulturamtes Regensburg. Die Behörde stand dem Chor mit Rat und Tat zur Seite.

„Dass es möglich war, aller Widrigkeiten zum Trotz ein Konzert auf die Beine zu stellen, das dann auch noch gut besucht wurde, hat uns natürlich unglaublich motiviert und ein Stück weit durch das Jahr getragen“, sagt Udo Haber (49), Bass aus Leidenschaft.

Frohen Mutes wurde im Herbst weitergeprobt. Im September traf man sich, um das Weihnachtsprogramm „Engel“ einzustudieren. Zur Aufführung kam es jedoch nicht: Mit der Kälte kam auch die Pandemie zurück. Sowohl das Chorwochenende als auch das Weihnachtskonzert mussten abgesagt werden. Ein Rückschlag. Immerhin: Kurz vor Weihnachten konnten mit einer kleinen Gruppe zwei Adventsvespern in Roding und Neutraubling gestaltet werden.

An Weihnachten selbst ließen sich die Musiker das Feiern nicht nehmen: Am 22. Dezember hielten sie ihre Weihnachtsfeier ab – digital. Mit musikalischen Beiträgen, Gedichten, Geschichten und Videos wurde auf den Heiligen Abend eingestimmt. Als Geschenk gab es für jedes Chormitglied einen eigens entworfenen Mund-Nasen-Schutz mit Notenmotiv.

Neues brachte das Jahr 2021: Das Programm „Jamulus“ löste „Zoom“ ab. „Jamulus ist für den Chorgesang perfekt geeignet, da es einer tatsächlichen Probe am nächsten kommt“, sagt Michael Hilpoltsteiner (50), unser IT-Beauftragter im Chor. Er singt im Bariton und hat die Jamulus-Proben mitinitiiert. „Wir haben die Chormitglieder mit Kopfhörern, Mikrofonen und LAN-Kabeln ausgestattet. Logistisch zwar ein Aufwand, aber es hat sich gelohnt. Mit Equipment und Programm können wir nun gemeinsam online singen und uns dabei hören. Das kommt einer echten Chorprobe schon sehr nahe.“

Gut gerüstet trotzt der Chor also der Pandemie. Und das mit gutem Grund: Voller Hoffnung streben die Musiker ein Konzert im Juni an, um Haydens Schöpfung aufzuführen. Und auch die Tango-Messe von Martin Palmieri wird für ein im Mai geplantes Konzert bereits geprobt.

Und die Stimmung im Chor? „Dass Einschränkung die Kreativität fördert, hat sich als wahr herausgestellt“, sagt Magdalena Treutwein. „Wir haben uns immens weiterentwickelt. Neue Probenmöglichkeiten und ein starker Zusammenhalt – wir haben das Beste aus der Pandemie gemacht.“